Freitag, 14. Oktober 2011

Alte Esel unter sich


Manchmal ist es notwendig, sich zu trennen. So habe ich vor ein paar Wochen die Beteiligung am Pony aufgegeben. "Wer weiß wofür's gut war", hat mein Opa immer gesagt, noch weiß ich es nicht, vielleicht kommt das noch. Dafür habe ich jetzt den Esel. 

Der Esel ist ein armes Fahrradvieh, er wurde ausgesetzt, weil er alt und krank und kaputt war, und sein ehemaliges Herrchen es praktisch fand, ihn beim Umzug einfach zurückzulassen. Ich habe mich also des Esels angenommen. Mit Hilfe eines befreundeten Bastlers wurde der Esel wieder fit. Wie es bei Bastlern so üblich ist, wenn man ihnen freie Hand lässt, hat er aus dem Esel ein Unikat gemacht. Ich habe ein verkehrssicheres Gebrauchsfahrrad mit Federung und 21 Gängen. Ein Rennlager ist jetzt drin, "weil nichts anderes gepasst hat". Die Reifen sind feld- und waldwegtauglich. Ich fahre jetzt sozusagen einen eierlegenden Wollmilchesel. Es ist zwar immer noch ein alter Esel, aber so wie er ist, taugt er mir ganz gut. 

Weshalb am Vorderrad ein französisches und am Hinterrad ein deutsches Ventil ist? "Frag nicht", hat der Bastler gesagt. Also hab ich nicht gefragt, sondern einen Adapter für die Luftpumpe gekauft. ;-) 



Die These, Fahrrad fahren verlerne man nicht, kenne ich wohl, aber ich war mir nicht sicher, ob das auch gilt, wenn die letzte Tour zwanzig Jahre her ist und man bisher nur fünf Gänge geschaltet hat. Am Lenker rechts steht 1 bis 7 dran, das Konzept mit dem Ring zum Drehen scheint auch idiotensicher zu sein. Aber wie die Schaltung links die Kette auf den vorderen Blättern wechselt, das unterliegt Versuch und Irrtum. Der Bastler hatte mich auch vorgewarnt, dass es natürlich kein Vergleich sein würde zu meinem handlichen Damen-Touren-Rädchen von früher. "Der geht nicht so schick um die Kurve. Der ist da ein bisschen rustikaler." 

Meinen ersten Ausritt mit dem Esel lege ich daher auf einen Werktagvormittag und in den Wald. Man muss ja nicht dem ganzen Stadtteil kostenlose Unterhaltung bieten, indem man rustikal aus der Kurve fliegt und sich von einem Gartenzaun pult. Zwar ist es auch ungünstig, sich in Hundeleinen zu verheddern oder den Zorn von spitzstockbewaffneten Walkern auf sich zu ziehen, aber im Wald kenne ich ein paar Abkürzungen und Notausgänge. Der Esel soll ja geländegängig sein, da rechne ich mir selbst ohne detaillierte Kenntnisse der Gangschaltung gegen Fußgänger gute Chancen aus, unerkannt entkommen zu können.

Zunächst einmal schlage ich meinen alten Schulweg ein. Fahrrad fahren verlernt man wirklich nicht, stelle ich fest. Aber die Vokabeln, die ich für die neue Gangschaltung habe, bringen die drei Walkerinnen vor mir aus der Fassung. Nein, die will ich nicht weiter irritieren, also kehre ich um und versuche mich an der anderen Richtung. Da ist auch noch Wald, allerdings hügeliger als der Weg, den ich eigentlich nehmen wollte. Und wie's der Berg so will, komme ich jetzt wirklich an meine Gangschaltungsgrenzen. 

"Knirsch", sagt der linke Schalthebel, und die Kette rattert eine Antwort. Dolmetscher, bitte! Spricht hier einer fließend Fahrrad? Todesmutig drehe ich weiter am Rad, und jetzt, endlich, springt die Kette um aufs – verflixt, das andere Blatt. Das, was grade physikalisch ungünstig ist. Also hektisch zurückgedreht. Knirsch! Ratter! Und noch mal, denn ich brauche die Übersetzung für bergab. Knirsch! Diesmal hab ich den Dreh besser raus, und die Kette springt sofort um.

Der Weg ist frei, ich flitze im 21. Gang durch den Wald. Sage und schreibe 21! Ja, ich weiß, ich muss den Weg zurück bergauf strampeln, ja, ich weiß, in der Form bin ich wahrscheinlich nicht, aber ich will – brauche - noch eine Minute den Fahrtwind. Und noch eine Minute. Hach, was soll's, bis ins Nachbardorf fahre ich noch, und dann wieder zurück.

Natürlich mache ich den Anfängerfehler und gehe den Berg auf dem Rückweg zu schnell an, sodass ich völlig außer Puste zu Hause ankomme und mein Gesicht Ton in Ton mit dem tiefroten Rallyestreifen auf meinem Helm ist. 

Ich kann es noch! Und einen braven Esel habe ich da unterm Sattel.

Er geht durch unwegsames Gelände, er bringt mich nicht ins Schleudern, er macht mir den Berg leicht. Und er hat mich nicht abgeworfen. Vielleicht liegt er nicht schick in der Kurve, der Esel. Garantiert wird er mich nicht überall dort hin bringen, wo mich das Pony hingetragen hat. 

Aber für die eine oder andere Fahrt ins Blaue wird er gut sein, und da freue ich mich drauf.

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