Samstag, 22. Oktober 2011

Eine Frage des Standpunkts

Wer kennt das nicht? Der Schlüssel ist nicht zu finden, wahlweise auch der Lieblings-Kugelschreiber, der Korkenzieher, der Fluxkompensator oder irgend ein anderes Dingsie, das man gerade dringend braucht. Man weiß genau, dass es irgendwo im Raum sein muss, aber Himmel, Gesäß und Nähgarn[1], es hat sich unsichtbar gemacht!

Von einer ehemaligen Kollegin habe ich den Tipp bekommen, in solchen Fällen auf einen Stuhl zu steigen. Das klingt zwar zunächst einmal ein bisschen absurd, funktioniert aber in einer geschlossenen Umgebung wie einem Büro oder einer Werkstatt ziemlich gut. Der Witz dabei ist nicht nur der neue "Überblick", sondern dass man seinen Standpunkt verändert, alles aus einer anderen Perspektive betrachtet und durch die frische Sicht auf die Dinge die sogenannte "Betriebsblindheit" überwindet. Man muss die Lage noch einmal neu erfassen, und dabei fällt einem dann meist ins Auge, was man vorher nicht gesehen hat. Ich kann auch versprechen, dass man nur die ersten drei Male von den Kollegen dumm angeschaut wird. Man erarbeitet sich einen Ruf als "Allesfinder", und der eine oder die andere übernimmt sogar die Methode.



Dabei muss man nicht alles, wie hier im Bild, alles vom Kopf auf die Füße stellen und umgekehrt. ;-)

Und auch unabhängig von einer Suche tut es der eigenen Perspektive ganz gut, hin und wieder auf einen Stuhl zu steigen. Ob im übertragenen Sinne oder im wörtlichen, das möchte bitte jeder für sich selbst entscheiden.

[1] Das hier ist ein anständiger Blog!

6 Kommentare:

  1. Das ist interessant … die Perspektive wechseln. Hm, damit bin ich als Autistin eigentlich den ganzen Tag beschäftigt. Ich meine in diesem Fall, dem Mainstream nachzulaufen, weil ich wohl diejenige bin, die sowieso meistens auf dem Stuhl steht, während alle andern sitzen. Ich bemühe mich also, mich dem Denken und der Wahrnehmung meiner Umgebung anzupassen. Alles andere führt über kurz oder lang (meistens schon über kurz) zu Missverständnissen und Friktionen.

    Außerdem ist mir gerade eben beim Nachdenken über deinen Post aufgefallen: Ich suche selten was. Und wenn, dann finde ich es in einer befriedigenden Zeit wieder, und zwar durch Heranziehung logisch-strategischer Gesichtspunkte. Auf den Stuhl zu steigen (diesmal im physischen Sinn) bin ich noch nicht gekommen, weil ich erstens meistens auf einem Drehstuhl sitze und weil ich mich zweitens davor fürchte, auf diese Weise roh darauf hingewiesen zu werden, dass ich unbedingt mal wieder die obersten Regalböden staubwischen sollte. Aber genau genommen, wäre dies ja auch ein Perspektivwechsel. ;-)

    Ich habe mal gelesen, dass das Gehirn nichts so übel nehme wie mangelnde Herausforderung durch Monotonie. Rein neurologisch gesehen ist der Forscher, der sich nur mit Sanskrit beschäftigt, daher genauso arm dran wie sein Nachbar, der den ganzen Tag Schlagerplatten hört. Der Sanskrit-Experte sollte sich zwischendurch auch mal eine Doku-Soap im Fernsehen anschauen oder ins Schwimmbad gehen oder seine Jalousie reparieren und der Schlager-Fan ein gutes Buch lesen.

    Manchmal, wenn ich dran denke, unterbreche ich also meine Routinen. Ich putze mir dann die Zähne mit der linken Hand (ohne elektrische Bürste eine wahre Herausforderung!), oder ich gehe rückwärts durch die Wohnung. Auch im Dunkeln den Weg zur Küche zu suchen ist ein anregendes taktiles Erlebnis, und den Tatort höre ich sowieso immer nur als Hörspiel, also ohne Bild, nur mit Ton. Aber weil ich dies ja immer tue, sollte ich langsam mal wieder die Augen dazuschalten. Ach, der Mensch ist nun mal ein faules Gewohnheitstier.

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  2. Die Anregung war auch eher für solche gedacht, die mit ihrem Stuhl inzwischen eine so innige Verbindung eingegangen sind. Es soll ja welche geben, die selbst andere Stuhlformen als den eigenen für unmöglich halten, und deren Welt am Fensterbrett endet. ;-)

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  3. Hi,
    eure Überlegungen sind so toll anregend, dass ich mir für heute das auf den Stuhl steigen mal ohne schlechtem Gewissen sparen kann. Ausnahmsweise *g*

    Liebe Grüße, Klarissa

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  4. Hallo, Klarissa,

    es heißt ja auch "Sonntagsruhe" - von sonntäglichen Bergtouren aufs Mobiliar war da nicht die Rede. Mach das man am Werktag wieder. *g*

    Liebe Grüße zurück, Nel

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  5. @ Nel."Die Anregung war auch eher für solche gedacht, die mit ihrem Stuhl inzwischen eine so innige Verbindung eingegangen sind. Es soll ja welche geben, die selbst andere Stuhlformen als den eigenen für unmöglich halten, und deren Welt am Fensterbrett endet. ;-)"

    Aber die lesen hier doch gar nicht, oder? ;-)

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  6. Da magst du recht haben. Ich gehe noch einen Schritt weiter: Selbst wenn - falls - sie hier lesen würden, würden sie sich vermutlich gar nicht angesprochen fühlen. ;-)

    Weißt du, ich mir schon länger abgeschminkt, die Welt verbessern zu können. Ich beschränke mich eigentlich nur noch drauf, sie zu dekorieren und zu unterhalten. *g*

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Nachricht für Nel? Ich würd' mich freuen ...